In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau durch ihren (Ex-)Partner ermordet. In diesem Fall spricht man von einem Femizid. 2019 kam es insgesamt zu 111 Morden und 192 Mordversuchen an (Ex-)Partnerinnen. Man kann sich kaum vorstellen, welches Ausmaß an Gewalt von Männern unter dem Radar an Frauen verübt wird. Und das jeden Tag.
Die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
So weit, so erschreckend. 2014 trat ein Übereinkommen in Kraft, die sogenannte “Istanbuler-Konvention” des Europarats “zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt”, wie es im Titel der Konvention heißt. Damit sollen verbindliche Rechtsnormen für den Kampf gegen Gewalt an Frauen geschaffen werden. Gefordert werden darin etwa die Aufnahme der Gleichberechtigung der Geschlechter in die Verfassungen der Staaten, die Abschaffung von Diskriminierungen und die Einrichtung von Beratungs- und Schutzstellen, die Frauen im Notfall aufsuchen können. Durch das Abkommen wird ebenfalls von den Unterzeichner*innen garantiert, dass bestimmte Gewalttaten gegen Frauen mit Strafen geahndet werden müssen, wie etwa Vergewaltigung, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, sexuelle Belästigung etc. Insgesamt haben bis heute 46 Staaten die Istanbul-Konvention unterzeichnet (gelb eingefärbt auf der Karte), 34 Staaten haben sie zudem ratifiziert (grün eingefärbt auf der Karte).
In der Türkei und Polen wird überlegt auszusteigen
Nun wird in der Türkei und auch im EU-Land Polen offen darüber nachgedacht, wieder aus der Istanbul-Konvention auszusteigen. In der Türkei sind die Gründe offenbar, dass die regierende AKP unter Erdogan nicht härter gegen die Verheiratung von Minderjährigen vorgehen möchte. In Polen geht es dem Innenminister Zbigniew Ziobro um die vermeintliche “Gender-Ideologie”, die durch das Abkommen propagiert werde. So werden von reaktionären und auch religiösen Kräften in diesen Ländern die Rechte von Frauen unterminiert und versucht rechtliche Fortschritte wieder zurückzudrehen. Daran sieht man, wie schnell Errungenschaften, die schon für selbstverständlich gehalten wurden, durch rechte Regierungen wieder zurückgenommen werden können.
Proteste gegen den Ausstieg aus dem Abkommen
Nun stand es trotz der Ratifizierung der Istanbul-Konvention nicht sonderlich gut um Frauenrechte und Gleichstellung in Polen und vor allen Dingen in der Türkei. Trotzdem wehren sich mutige Frauen aktuell in beiden Ländern mit Protesten gegen die Aufkündigung des Abkommens, das nicht nur einen symbolischen Wert hat, sondern auch völkerrechtlich bindend, also durch die nationalen Gerichte (eigentlich) verpflichtend durchzusetzen ist. Es wäre eine Schande, wenn das Abkommen durch diese konservative Mythen in Europa noch zu einer größeren Zielscheibe für Nationalist*innen werden würde, als es das ohnehin schon ist. Vor allen Dingen wäre es aber ein herber Schlag für alle Frauen in Europa, die von Gewalt durch Männer betroffen sind.
Wir solidarisieren uns mit den Frauenrechtsbewegungen!
Daher solidarisieren wir uns als überzeugte Feminist*innen mit den Frauenrechtsbewegungen in den Ländern, in denen der grundlegende rechtliche Schutz von Frauen infrage gestellt wird. Auch ist für uns klar: Angesichts der erschreckenden Häufigkeit von häuslicher Gewalt und Femiziden auch in Deutschland müssen wir nicht nur mit dem Finger auf andere Länder zeigen, sondern auch wir vor Ort müssen handeln! Frauen stärken, Aufklärung betreiben, Schutzangebote ausbauen, Täter bestrafen und patriarchale Strukturen gemeinsam durchbrechen!
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