Lange diskutiert, genauso lange ausgearbeitet und umso überraschender das in Kraft treten. Die Europäische Datenschutz Grundverordnung hat jede personenbezogene Daten verarbeitende Stelle überrascht. Kaum eine Institution war oder ist in Gänze auf alle Regularien vorbereitet. Internetunternehmen fürchten um Ihren Umsatz und große Konzerne klotzen mit Markmacht und einem müden Schulterzucken. Mit der am 25.Mai in Kraft getretenen Verordnung wird der Datenschutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht. Alle Institutionen die in der EU ansässig sind, oder mit den Daten von BürgerInnen der Europäischen Union arbeiten, müssen künftig strengere Datenschutzrichtlinien einhalten und für mehr Transparenz sorgen.
Deutlich mehr Benutzerrechte
Großartige Sache für alle Benutzenden – Die Rechte derer wurden deutlich gestärkt und die digitale Selbstbestimmung scheint auch in Brüssel zum Thema zu werden. Vor allem die ins Visier genommenen Big Player wie Amazon, Google und Facebook müssen die Verarbeitung personenbezogener Daten transparenter gestalten. Wie lange und zu welchem Zweck werden meine Daten von einem Unternehmen oder deren Subunternehmen weiterverarbeitet? Diese Frage können alle Benutzenden nun stellen und müssen eine Antwort erhalten. Empfindliche Bußgelder sollen sicherstellen, dass die DSGVO eingehalten wird. Sollte ich die Bank wechseln wollen, kann ich meine aktuelle Hausbank auffordern mir meine Daten in einem handelsüblichen Format auszuhändigen damit meine neue Bank diese einfach übernehmen kann. Nach dem erfolgreichen Wechsel kann ich meine alte Hausbank nun auffordern meine Daten rückstandslos zu löschen, nicht zu deaktivieren oder aus dem Newsletter zu nehmen. Nein komplett zu löschen aus allen Backups, Mails, Datenbanken und Servern. Klingt gut und ist auch gut. Das Internet ist eine einzigartige offene Plattform, die nicht von Industriegiganten nach eigenen Maßstäben geführt werden darf. Die DSGVO ist also auch ein Versuch das Internet nicht länger den Tech Giganten zu überlassen. Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz also ein europaweiter Versuch etwas mehr Staatlichkeit in dieses Internet zu bringen.
Deutlich weniger Freude bei Unternehmen
Tatsache ist aber auch, dass die europäische Datenschutzgrundverordnung nicht nur für Multimilliardenkonzerne sondern auch für die Friseure von nebenan gilt. Es fängt bei der Datenschutzerklärung an und hört bei der Datensicherheit und Verarbeitungsverzeichnissen auf. Sollte mein Friseur eine Drittanbieter Software für Online Reservierungen nutzen muss er zum Beispiel mit diesem einen Vertrag abschließen, der regelt wie und in welchem Umfang Daten verarbeitet werden. Die Anzahl der Friseure, die alle Regelungen ohne Hilfe von Dritten umsetzen kann dürfte in etwa so groß sein, wie die Anzahl an Fällen denen die Abgeordnete Věra Jourová mit Ihrer E-Mail Aufforderung helfen konnte.
Kleinunternehmen wurden komplett im Stich gelassen. Die Grundzüge der DSGVO waren noch recht schnell zu verstehen. Detailfragen bleiben aber bis zum heutigen Tage von den Datenschutzbehörden unbeantwortet. Tracking mit Opt-Out oder Opt-In? Google Fonts nutzbar? Spam weiterhin mit ReCaptcha verhindern? Google Maps Javascripts für ein Design ein berechtigtes Interesse? Es gibt dutzende Fragen alleine im Bereich Webdesign die nach wie vor nicht ausreichend geklärt wurden und die Hürde der Umsetzung unnötig anheben.
Werbung? Tracking? Cookies?
Wer bei Tracking an Landwirtschaft denkt und bei Cookies die Oma nach dem Lieblingsrezept fragt, hat entweder sehr viel Humor oder sollte sich schleunigst für den Internetführerschein anmelden. Die deutsche Datenschutzkommission hat ein Papier herausgebracht, in dem beschrieben steht, dass die Setzung von Cookies zur Analyse der AnwenderInnen trotz Anonymisierung eine explizite Einwilligung (Opt-In) benötigt. Das Ergebnis sind Pop-Ups die den Benutzenden fragen ob die Analysecookies zum Beispiel von Google Analytics zugelassen werden sollen. Die daraus resultierenden Absprungraten sind enorm. Wer stimmt schon freiwillig der Überwachung des eigenen Nutzerverhaltens zu?
Je weniger Daten im Umlauf, desto besser wird das Internet
Das riesige Problem ist aber, das scheinbar nicht verstanden wurden, dass das Internet nicht kostenlos ist. Wer nicht für einen Dienst bezahlen möchte bezahlt in aller Regel mit seinen Daten. Betrieb und Entwicklung von Internetseiten und Web Applications müssen überraschenderweise auch finanziert werden. Die Nutzung von Dienstleistungen und Produkten der großen privaten Unternehmen wie Google Drive, Dropbox und Facebook scheint vordergründig kostenlos, aber glaubt wirklich irgendjemand, dass die Rechenzentren von Google mit Luft und Liebe betrieben werden? Die kosten Geld, genauso wie der Druck einer Zeitung. Dieses Geld verdienen die Konzerne üblicher Weise durch die Anzeige von Werbung. Das Alleinstellungsmerkmal von Werbung im Internet ist die hohe Präzision mit der man auf Grund der gesammelten Informationen seine Wunschzielgruppe erreichen kann. Die geringen Streuverluste sorgen also für eine bessere Kosteneffizienz. Das Geschäftsmodell aller angeblich kostenlosen Plattformen fußt darauf.
Wenn ich jetzt also gefragt werde ob ich das Tracking erlauben möchte und ich ablehne, entziehe ich den Unternehmen Informationen die eine auf mich zugeschnittene Werbung verhindern und damit den Umsatz der Werbeunternehmen, denn wer bezahlt schon für Werbung, die einfach in den luftleeren Raum geworfen wird. Die DSGVO wird, sollte sie in voller Strenge umgesetzt werden, also für noch mehr Paywalls sorgen, die die Finanzierbarkeit zum Beispiel von Zeitungsverlagen sichern sollen.
Sollte man nun die Datensammelei gutheißen?
Auf keinen Fall. Sie ist stets zu kritisieren und zu kontrollieren. Man hat dank der neuen Datenschutzgrundverordnung nun die Möglichkeit besser zu bestimmen was mit den eigenen Daten passiert. Ziehen allerdings viele den Stecker der Orwell´schen Datensammelmaschine werden sich viele werbefinanzierte Geschäftsmodelle alternative Konzepte überlegen, die auch eine direkte Finanzierung über Mitgliedsbeiträge bedeuten könnten. Ob das im Interesse der Benutzenden ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Traurig ist, dass gerade die großen Konzerne wenig von dem angesprochenen umgesetzt haben, da sie eventuelle Gerichtsverfahren bezahlen können. Der kleine Onlineshop, der handgemachte Armbänder verkauft kann das aber nicht, hat jetzt ein solches Pop-Up installiert und muss künftig mehr Geld für die selbe Werbeleistung bezahlen. Klingt als wäre es zu Ende gedacht…
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