Liebe Rosa,
du wärst diesen Monat genau 150 Jahre alt geworden, denn geboren wurdest du am 05.03.1871 in der Stadt Zamość, die im heutigen Polen liegt. Du hast es den Leuten damals schon nicht leicht gemacht, dich in eine Schublade zu stecken, warst aktiv in Polen und in Russland, aber auch in Deutschland. Warst in der SPD, hast später die KPD mitgegründet. Warst Befürworterin der Oktoberrevolution, hast aber den Leninismus und die Parteidiktatur in Russland kritisiert. Du warst nicht nur Politikerin, sondern auch Chefredakteurin der „Roten Fahne“, Philosophin, Antimilitaristin, Marxistin. Bis heute bist du für uns als engagierte Linke die weibliche Gallionsfigur der Arbeiter*innenbewegung, in deren Nachfolge wir stehen.
Sprachrohr der Linken in Deutschland
Was ein Leben du gehabt hast. Entgegen aller Widerstände, die dir als Frau sicher entgegenschlugen, bist du schon zu Lebzeiten zu einer der wichtigsten Stimmen der Linken in Europa geworden. Ab 1889 warst du in der SPD engagiert. Als Sprachrohr unseres linken Flügels im Kaiserreich hast du gekämpft als es in Deutschland viel zu wenige getan haben. Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, gegen Nationalismus und Pickelhauben, für den Frieden. Im 1. Weltkrieg hast du mit Wilhelm Liebknecht die „Gruppe Internationale“ gegründet und den Spartakusbund. Ihr habt gemeinsam die Burgfriedenspolitik der SPD scharf kritisiert. Gemeinsam mit Karl Liebknecht hast du die KPD gegründet und wolltest die Räterepublik ausrufen in Deutschland. Aus heutiger Sicht – auch wenn das dir gegenüber nicht ganz fair ist – bin ich froh, dass die SPD und mit ihr die Mehrheit der Arbeiter*innenbewegung sich anders entschieden haben. Für die Weimarer Republik und gegen die Diktatur des Proletariats. Aus heutiger Sicht ist klar: Unser Wunsch nach einer freien, gleichen und gerechten Welt, das Ideal vom demokratischen Sozialismus war das gleiche, der Weg der KPD und des Spartakusbundes dorthin der falsche.
Ist die SPD schuld an deinem Tod?
Dein Tod, Rosa, hat die junge Republik damals erschüttert. Ermordet von einem rechten Freikorps, während Gustav Noske von der SPD hin- und hergerissenen war. Es gibt keine Kollektivschuld der Sozialdemokratie, aber man muss Noske doch eine „schwere Unterlassung“ vorwerfen, zu diesem Urteil kommt jedenfalls unser Bundestagsabgeordneter Dietmar Nietan. Tatsächlich war die Lage damals für die SPD sehr schwierig. Das alte Dilemma der alten Tante.
Freiheit und Unterdrückung: Kapitalismus und Feminismus
Du hattest mit vielem Recht, Rosa, an deiner Kritik an der Sozialdemokratie war oft was dran. Das geflügelte Wort von der „Freiheit der Andersdenkenden“ kommt von dir und hört sich nicht nur nett an; du hast es im Gefängnis verfasst, in dem du wegen deiner Überzeugungen saßt. Auch hilfst du mir oft zu verstehen, wie Kapitalismus und Unterdrückung zusammenhängen. Für den Feminismus ist es von zentraler Bedeutung zu verstehen, dass der Rahmen, der die Unterdrückung der Frau heute bei uns ermöglicht, der patriarchale Kapitalismus ist.
Einigkeit gegen den Faschismus!
Wir können von dir Rosa aber noch mehr lernen. An deinem Tod hat sich die Spaltung der Arbeiterbewegung in Deutschland vertieft, heute könntest eine einigende Figur für die progressiven Kräfte in Deutschland sein. Die politische Linke, auch die SPD, standen in der Weimarer Republik auf der richtigen Seite der Geschichte, die Demokratie vor dem Nationalsozialismus retten konnte sie nicht. Frei nach Willy: Unsere Bewegung hatte versagt. Auch weil es nicht gelungen ist die linken Kräfte für die Republik und gegen den Faschismus zu vereinigen. Daraus sollten wir lernen, wenn heute wieder Faschist*innen in den Parlamenten sitzen.
In diesem Sinne, Rosa: Freundschaft!
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