Das Aktionsbündnis „Seebrücke“ hat heute (SA, 6.Juli) zu einer bundesweiten Demo aufgerufen. Die „Seebrücke Düren“ hat daher auch in Düren zur Teilnahme an der Demo eingeladen. Ursprünglich war diese als Solidaritätsaktion für die deutsche Sea-Watch Kapitänin, Carola Rackete gedacht. Diese steht jedoch nur symbolisch für ein weitaus größeres und komplexeres Problem, welchem sich die europäischen Spitzenpolitiker*innen endlich stellen müssen. Die Migrationspolitik bleibt eine der zentralen Fragen unserer Zeit, neben Umwelt- und Sozialpolitik. Die Demonstration findet deshalb auch wie geplant statt. Denn obwohl der gegen Rackete erhobene Hausarrest am Mittwoch aufgehoben wurde, wird sie am 9. Juli erneut von der italienischen Staatsanwaltschaft wegen dem Vorwurf der illigalen Einwanderung verhört werden.
Die Causa Rackete
Carola Rackete entschied sich am 29.06. in den Hafen von Lampedusa einzufahren. Sie tat dies mit dem Wissen, dass sie von den italienischen Behörden hierfür keine Erlaubnis hatte. Sie verstieß somit gegen geltendes Recht. Eine Erlaubnis besaß sie nur für den Hafen von Tripolis. Was jedoch jedem am Board klar war, die Rückkehr nach Libyen wäre für die geretteten Menschen das schlimmst mögliche Szenario gewesen. Wollten Sie doch genau dieser Hölle entkommen. Immer wieder berichten Geflüchtete von Folter und Gewalt in den Flüchtlingslagern. Zudem hat Libyen die Genfer Konvention zum Schutz geflüchteter Menschen nie unterschrieben und kann daher nicht als sicher eingestuft werden.
Und Salvini? Not amused. Denn die Freilassung stellt für ihn ein PR-Desaster dar. Hat er die deutsche Kapitänin doch zu seinem persönlichen Feindbild in den sozialen Medien hochgezogen. Erklärte sie zur „Handlangerin der Schlepper“, zur „Piratin“, zur „reichen Kommunistin“, welche bei der Einfahrt in den Hafen endlich ihre „Maske“ fallen lassen hat. Die gezielten Attacken verfehlten ihr Ziel nicht. Im Netz verbreiten sich gerade zahlreiche alternative Fakten über die Person, Carola Rackete. Diese haben genau ein Ziel: Eine mutige Frau zum Hassobjekt zu machen. Salvini selbst eröffnete so das Duell des Capitano gegen die Capitana. In den sozialen Medien ließ der italienische Innenminister immer wieder vernehmen, dass er bei einem Freispruch für die Ausweisung der Deutschen persönlich sorgen werde. Und das schnellst möglich! Der Freispruch kam, Rackete ist nach wie vor in Italien und wird international als Heldin gefeiert. Am Ende bleibt Salvini eben nur ein (schlechter) Verlierer.
Mindestens genauso schlecht steht aber auch die Europäische Union da. Eine Union, die sich immer mit seiner multikulturellen Gesellschaft rühmt, mit seinem Wohlstand und seinen europäischen Werten rühmt. Eine Union die zu einander steht. Die Causa Rackete zeigt einmal mehr, wie schlecht es um eben diese Werte und diesen Zusammenhalt bestellt ist. Denn wahr ist auch, dass die Sea- Watch 3 neben den „üblichen“ Häfen in Malta, Italien und Spanien auch die Niederlande um Hilfe bat. Es antwortete: Libyen. (NICHT EU-Land!!!) Länder wie Italien werden seit Jahren in der Migrationspolitik allein gelassen wurden. Auch Deutschland nimmt seine Verantwortung gegenüber diesen Ländern erst seit wenigen Jahren ernst. Und hadert seitdem mit Menschen, die sich genau dieser Verantwortung wieder entziehen wollen. Wichtige Entscheidungen und Abkommen werden seit Jahren von den Verantwortlichen auf die lange Bank geschoben und von Nationalisten im EU-Parlament und im EU- Rat gänzlich blockiert. Zudem wird völlig außer Act gelassen, dass die europäische Politik nicht ganz unschuldig an den Fluchtursachen ist. Ein Beispiel hierfür ist die europäische Subventionierung der Landwirtschaft. Diese führt dazu, dass in Afrika niederländische Tomaten günstiger sind als die heimischen, was letztlich dazu führt, dass afrikanische Bauern von ihren Ernten nicht länger leben können. Handelsabkommen verschärfen die Situation weiter, denn landesspezifische Waren wie Kaffee und Bananen wollen vom europäischen Konsument möglichst günstig erworben werden. Und dann ist da noch das Klima, welches die Lebenssituation der Menschen zunehmend verschlechtert.
Private Seenotrettung vs. EU
Die zivile Seenotrettung wird oft kritisiert. Ich selbst hadere auch mit dieser. Aus einem einzigen Grund: Sie machen die Arbeit, die eigentlich staatliche Institutionen obliegt. Und hier wird es für mich wirklich schmerzhaft, denn die staatliche Seenotrettung wird zunehmenden eingeschränkt und behindert. Erst im März dieses Jahres wurde die Mission Sophia von der EU eingestampft und knickte so erneut vor den Rechtspopulisten ein. Etwas das für mich als Sozialdemokratin und auch als Europäerin nur äußerst schwer zu ertragen ist. Um ehrlich zu sein, kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen. Denn die Mission Sophia war wirklich erfolgreich. Sie rettete zehntausende Menschen und leistete somit einen wirklich wichtigen und notwendigen Beitrag. Vor allem aber nahm die EU hier ihre humanitäre Verpflichtung wahr. Nachdem aber auch diese staatliche Mission abgebrochen wurde, wird die Bedeutung der zivilen Seenotrettung zunehmend größer. Zeitgleich widerlegt diese Notwendigkeit aber auch den Hauptkritikpunkt gegen die private Seenotrettung. Kritiker gehen davon aus, dass Schlepper bzw. die fliehenden Menschen von der Mittelmeerroute Abstand nehmen werden, wenn die in Seenot geratene Boote nicht länger gerettet werden. Es wird hier, um das ganz klar zu formulieren, mit realen Menschenleben spekuliert. Meine Frage an diese Kritiker lautet daher: Wie viele Menschenleben wird es kosten, damit diese Route unpopulär wird? Und zählen die Leben von Kinder, Jugendlichen und Säuglingen in dieser Rechnung mehr?
Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen?
Die Frage ist daher, ist zivile Seenotrettung nun Teil oder Lösung des Problems. Ohne NGOs wie Sea- Watch würde sicherlich der Druck auf die europäischen Institutionen erheblich wachsen. Für den Tourismus in den betroffenen Regionen wäre es tödlich. Nichts stört den sonnenbadenden Touristen mehr, als die Leichen, welche an schönen Sandstrand gespült werden. Obwohl es bei Instagram, Facebook und Co sicherlich Unmengen von Likes u. Views geben würde… Die Art des Tourismus würde sich also wahrscheinlich nur etwas verändern. Sie finden das zu zynisch? Ich auch. Aber erinnern sie sich noch an das Bild des kleinen Jungen, der tot an Land gefunden wurde? An den Aufschrei der durch die Gesellschaft ging? Ebenjener sorgte damals dafür, dass Politiker*innen auf einmal in Tatendrang verfielen. Das davon kaum noch was übrig ist, finde ich wesentlich zynischer. Können wir es als Gesellschaft also wirklich verantworten, dass tausende von Menschen, Erwachsene wie Kinder, im Meer qualvoll und elendig ersticken? Denn das passiert, wenn ein Mensch ertrinkt. Er erstick, weil sich ihre bzw. seine Lunge langsam mit Wasser füllt.
Jede*r, die/ der jetzt ein unbehagliches Gefühl hat, kann/ will es nicht verantworten. Daher ist die private Seenotrettung im Moment vor allem eines- notwendig. Solange europäischen Politiker*innen nicht endlich ihre Arbeit machen, ist die private Seenotrettung alternativlos. Daher braucht Sie unsere Unterstützung.
Daher bitten wir um Spenden. Danke.
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