Sinnvolle Traditionen wahren, Neues wagen
Antragssteller: Jusos im Kreis Düren, Mario Papadopoulos, Cem Timirci
Die gute alte Zeit ist vorbei, die Ikonen von früher weilen nicht mehr unter uns und die alleinigen Mehrheiten besitzen wir schon lange nicht mehr. Es ist dringend an der Zeit diese Realitäten zu akzeptieren und die notwendigen Schlüsse aus dieser Erkenntnis zu ziehen. In der Form unserer derzeitigen Arbeits- und Umgangsweise sind wir nicht zukunftsfähig. Wir werden unseren Nachfolgern lediglich ein Trümmerfeld der langen und stolzen Geschichte der Dürener Sozialdemokratie hinterlassen.
Erfahrungen eines Neumitgliedes
2 Jahre gezögert und an einem Abend im Dezember des Jahres 2013 endlich kurz davor es durchzuziehen – die Maske meines online Mitgliedsantrages leuchtet vor mir auf dem Bildschirm.
Abschicken oder einen Rückzieher machen? Vorher lieber nochmal googeln. Gabriel und Nahles kenne ich, Kraft natürlich auch aber wer macht eigentlich in Düren sozialdemokratische Politik? Schnell SPD Düren eingetippt. Ich lande auf der Seite von Dietmar Nietan, irgendwas mit Kaffee und Kuchen – schonmal gesehen. Und sonst? Peter Münstermann, okay. Wer noch? Keine Ahnung. Auf der Suche nach Informationen, welche über unverständliche Pressemitteilungen hinausgehen, klicke ich mich durch die einzelnen Seiten. Nach 30 Minuten gebe ich auf, es gibt nichts. Facebook aufgerufen – verlinkte Pressemitteilungen von eben, geil.
Mitgliedsantrag abschicken oder Fenster schließen? Nochmal brainstormen: Willy Brandt hat mich inspiriert, is aber tot. Gabriel, geht so. Die Geschichte der Sozialdemokratie, unfassbar beeindruckend. Was kann ich in Düren bewegen, keine Ahnung. Ich schicke den Antrag trotzdem ab, vielleicht wird’s ja doch ganz gut.
Ein Tag im Januar 2014, wenige Monate bis zum Abi. Verzweifelter Versuch die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie auswendig zu lernen, ziemlich interessant aber viel. Und die Dürener SPD? Keine Ahnung, bisher nix gehört.
Ein Abend im Februar 2014, kurz vorm Abi. Lang genug gewartet, heute Abend ist irgendwas. Ortsverein oder so ähnlich. Ich gehe hin.
„Liebe Genossinnen und Genossen, ich begrüße Euch.“ Mitteilungen, irgendein Protokoll, Streit um irgendwas, „und wir haben ein neues Gesicht unter uns“, ich stelle mich vor, Kopfnicken. Weiter im Text: zwei ältere Herren liefern sich ein Wortgefecht und ich habe keine Ahnung, worum es geht. Irgendjemand ist gestorben, eine Karte soll geschickt werden. Es wird über „die da Oben“ geredet, super! Großbanker, Börsenhaie – endlich die politische Diskussion! Doch nicht: es geht um die Fraktionsführung. „Unter Jupp wäre das alles anders gewesen“ -wer ist Jupp? Verschiedenes und Schluss. Nach 90 Minuten ist, was auch immer das gerade war, vorbei. Ein paar Leute kommen auf mich zu, nicht alle. Es wird kurz geplaudert. Dann gehe ich nach Hause.
Das war’s. Keine politische Debatte, keine kontroverse Diskussion, kein Ergebnis. Es sollte nicht die letzte Sitzung dieser Art werden.
Mit Schirm, Charme und Kugelschreiber
oder Progressivität, Solidarität und Professionalität?
Wir alle haben die unterschiedlichsten Motive, welche uns zu einem Eintritt in unsere Partei bewegt haben. Die einen wurden inspiriert von Brand und Bahr, die anderen von Schmidt und Schröder, wieder Andere brachte Mindestlohnpolitik und Frauenquote dazu den Mitgliedsantrag abzuschicken.
Uns alle eint der feste Glaube daran, nicht nur durch graduelle Veränderungen Verbesserungen herbeiführen zu können. Wir arbeiten Probleme in unserer Gesellschaft sehr viel grundlegender auf, als es Konservative und Liberale können und wollen und verfangen uns dadurch oftmals in innerparteilichen Diskussionen – diese Diskussionen sind mehr Stärke als Schwäche. Nur durch eine tief gehende Debattenkultur ist eine ernstzunehmend progressive sozialdemokratische Politik möglich – so ist unsere Auffassung.
Unsere Debattenkultur beschränkt sich zurzeit allerdings auf die Frage, welche Farbe der Sonnenschirm beim nächsten Sommerfest haben soll oder auf innerparteiliche Personaldiskussionen, welche allzuoft in Grabenkämpfen enden.
Wir können so viel mehr, wenn wir uns endlich auf unsere Stärken besinnen und nicht länger unsere Schwächen und Unzulänglichkeiten als Ausrede dafür verwenden, in den immer gleichen Strukturen und Abläufen zu arbeiten – aus der bloßen Angst durch mutige und vielleicht ungewöhnliche Schritte noch mehr falsch zu machen.
Die Berichterstattung in Düren ist höchst tendenziös und stark konservativ geprägt, ja. Unsere Konkurrenten verfügen über sehr viel mehr finanzielle Mittel, ja. Das durchschnittliche Mitgliedsalter in der SPD liegt nicht diesseits der 40, ja. Unsere Gegner verkaufen sich in vielen Fällen besser als wir, ja. Wir fühlen uns unseren Idealen verbunden und die Diskussionen darüber bremsen uns gelegentlich aus, ja. Aber diese ganzen Probleme sind nicht neu, sie werden seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten beklagt. Es hat sich daran nichts geändert und es wird sich daran nichts ändern, wenn wir nicht endlich den Versuch unternehmen diesen Problemen mit ernsthaften Ideen entgegenzutreten und unsere vermeintlichen Defizite in Stärken zu wandeln.
Beschränken wir uns nicht länger darauf uns beleidigt in die Ecke zu stellen, zu schimpfen auf „die da Oben“, auf die Presse, auf unsere Gegner oder auf die Nichtwähler. Lasst uns neue Antworten auf alte Fragen finden, lasst uns Abseits von dem schon Gedachten denken und mutig sein. Mutig etwas mal wirklich gnadenlos anders und besser zu machen. Lasst uns streiten und diskutieren. Lasst uns aber auch nach der Diskussion zusammen an einen Tisch setzen und Lösungen und Konzepte erarbeiten, welche über Hausbesuche hinausgehen!
Wissen ist Macht
Politische Bildung stärken und Bedingungen für produktive Sitzungen schaffen
Wir können die Mitgliedschaft zukunftsfest aufwerten, indem wir breite, hochwertige Qualifizierungsangebote schaffen. Das bringt handfeste Vorteile für jeden Engagierten und stärkt zeitgleich die Lern- und Entwicklungskultur der gesamten Partei.
Im Arbeitsmarkt sind ständige Fort- und Weiterbildungen längst zur Normalität geworden – nutzen auch wir endlich die Vorteile von unseren Bildungsvereinigungen (bspw. BGR) und machen die politische Fort- und Weiterbildung zu einer unserer Kernaufgaben.
Der Unterbezirksparteitag des SPD Unterbezirk Düren möge beschließen:
politische Fort- und Weiterbildungsprogramme für unsere Mandatsträgerinnen und Mandatsträger (vom sachkundigen Bürger bis zum Rats- und Kreistagsmitglied) und für Mitglieder der geschäftsführenden Vorstände von Arbeitsgemeinschaften und Ortsvereinen verpflichtend zu organisieren. Insgesamt sollen jährlich 4 Fortbildungen von jedem o.g. Mitglied belegt werden. Bezogen auf das jeweilige Fachgebiet sollen 3 fachspezifische Angebote und 1 frei wählbares Angebot belegt werden. Diese Fortbildungsmaßnahmen sollen ausdrücklich vor Ort im Unterbezirk stattfinden.
einen kontinuierlich stattfindenden Fortbildungskurs für die Ausweitung der Kompetenzen in der digitalen politischen Arbeit einzurichten. Hierbei sollen für alle Betreiberinnen und Betreiber der Facebook bzw. Homepages der einzelnen Gliederungen freiwillige Angebote vor Ort geschaffen werden.
den Unterbezirksvorstand damit zu beauftragen, einmal im Quartal einen sog. Themenmonat für den Unterbezirk und seine einzelnen Gliederungen zu organisieren und einzurichten. Innerhalb eines solchen Monats soll sich jede Gliederung des UB mit einem, vorher zu bestimmenden, Thema verstärkt beschäftigen. Auftakt soll bei jedem Themenmonat ein Impulsvortrag eines Referenten sein, auf dessen Grundlage die einzelnen Gliederungen Veranstaltungsformen durchführen, welche genügend Raum für innovative und progressive Überlegungen bieten (Projektgruppen, Gesprächsabende, etc.). Die verschiedenen Veranstaltungsformen sollen ausdrücklich öffentlich gestaltet werden, sodass jeder Interessierte und jede Interessierte teilnehmen können.
einen Innovationsbericht zu einem festen und dauerhaften Bestandteil der Tagesordnung unserer Parteitage zu machen. Dieser soll folgende Parameter berücksichtigen
– Altersstruktur der Mitglieder im Unterbezirk Düren
– Anzahl der in einem Jahr gewonnen Neumitglieder in den einzelnen Ortsvereinen
– Altersstruktur der Neumitglieder
– Anzahl der veranstalteten Veranstaltungen abseits von normalen Vorstandssitzungen auf Grundlage der
nunmehr, beim UB Vorstand, abzulegenden Rechenschaftsberichte der einzelnen Gliederungen.(Workshops, Ideenwerkstätten, ProjektgruppenKompetenzteams, etc.)
– durchschnittliche Reichweite der einzelnen Facebook Seiten
Politik ist auch Mitgliederwerbung
Die Erneuerung der Strukturen fortsetzen!
Die Werbung unserer Partei -sowohl innerparteilich, als auch außerparteilich ist eine große Herausforderung für unsere Partei. Unser Ziel ist es, in Zukunft eine Vielzahl neuer Mitglieder aus allen Bereichen der Gesellschaft zu gewinnen, um ein heterogenes Gleichgewicht zu erzielen.
Vor dem Hintergrund der sich stets veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen, der spürbaren demographischen Entwicklung, der Arbeitsverdichtung in der Berufswelt und Fehlern bei der Politikgestaltung muss es uns gelingen, das Interesse an der SPD mit neuen Angeboten zur Mitwirkung in den Vordergrund zu stellen. Was wir benötigen ist eine zeitgemäße Programmatik, aber auch eine zeitgemäße organisatorische Struktur, um die eigentliche Parteiarbeit erst zu ermöglichen und nicht abzubremsen; Angebote, die auf die unterschiedlichen Lebenswelten unserer Zeit zugeschnitten und sich nach Zeitbudget, Qualifizierung und Schwerpunktinteressen der Personen gerichtet sind. Auch wenn keine kontinuierliche, physische Präsenz der Mitglieder möglich ist, kann ein Engagement in kleinen Dosierungen zu tragbaren Ergebnissen führen. Eine Partei besteht aus Mitgliedern, mit unterschiedlichen Kompetenzen und Partizipationswünsche. Auf diese müssen wir eingehen!
Als Partei Erfolg zu haben bedeutet, gemeinsam in die gleiche Richtung zu schauen, miteinander zu debattieren und die Stärken jedes Einzelnen zu einem großen Ganzen verschmelzen zu lassen!
Der Parteitag des SPD Unterbezirk Düren möge beschließen:
1.
Zu politischen Themen werden Projektgruppen zur intensiveren Auseinandersetzung und Beratung unter Einbindung von Experten installiert. An diesen können die Mitglieder unabhängig ihrer Funktion teilnehmen und Beschlussempfehlungen für alle pol. Gremien aussprechen. Die Diskussion um die beste Lösung gesellschaftspolitischer Fragestellungen (auf allen pol. Ebenen) im Kontext unserer sozialdemokratischer Zielvorstellung wollen wir – auch parteiübergreifend und öffentlich- in diesen Dialogforen einführen. Vornehmlich sollen diese Projektgruppen fokussierte, zeitlich begrenzte, projektbezogene „Vort-Ort-Initiativen“ organisieren und durchführen. Das bringt den UB zurück auf die Straße und eröffnet die Chance für begrenztes, niederschwelliges Engagement von Nicht-Mitgliedern bzw. zögernden Interessierten.
2.
Es wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die hauptsächlich sämtliche Ein- und Austritte der Mitglieder begleitet. Die Gruppe geht aktiv auf neue Mitglieder zu und bindet sie in die Parteiarbeit, bzw. in spezielle Projekte ein und veranstaltet regelmäßige Neumitgliederseminare vor Ort. Das Mitgliedermanagement kann ebenfalls ungenutztes Potenzial aus passiven Mitgliedern aktivieren, indem das individuelle Interesse des Mitgliedes geweckt wird. Etwaige Austritte könnten so unterbunden werden, oder deren Ursache ermittelt und -für die zukünftige Optimierung der Parteiarbeit- protokolliert werden.
3.
Für eine Parteiarbeit ist die systematische Kontaktpflege zu Verwaltung, Presseorganen, Organisationen und Einrichtungen unabdingbar. Die zu gründende Arbeitsgruppe „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ beschäftigt sich mit der regelmäßigen Kontaktpflege; denn diese ist das Kapital der Partei.
3.1 Außerdem erstellt sie eine SPD Zeitung, welche vom UB in regelmäßigen Abständen flächendeckend herausgegeben wird.
3.2 Darüber hinaus installiert der UB den Posten eines Pressesprechers, der Kontakt zu Presseorganen pflegt, zuständig ist für jegliche herauszugebenden Pressemitteilungen und regelmäßige Pressekonferenzen organisiert. Er nimmt außerdem an diversen, verpflichtenden Fortbildungsmaßnahmen teil.
3.3 Unsere Mandatsträger (MdB, MdL) werden gebeten, regelmäßige „Facebook live Chats“ durchzuführen. Hierbei kann der direkte Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern auf sehr einfache Weise gepflegt werden.
3.4 Überdies sollen strategische Dialoge, in denen Parteimitglieder in den themengebundenen Austausch mit ausgewählten Experten, Multiplikatoren, Vertretern von Vorfeldorganisationen, etc. treten und gezielte Impulse zu programmatischen oder organisatorischen Fragen suchen. sollen Vernetzungsbeauftragte den dauerhaften Kontakt intensivieren. Sie organisieren regelmäßige Gesprächsformate, die dem vertieften Austausch dienen.
Alles, im Kleinen und Großen, beruht auf Weitersagen
– Christian Morgenstern
Parteien müssen auf der Höhe der Zeit sein, um ihre Aufgaben dauerhaft ausfüllen zu können. Das meint nicht nur eine zeitgemäße Programmatik, sondern auch zeitgemäße organisatorische Strukturen. Dazu kommt die andauernde Weiterentwicklung der Zusammenarbeit auf Alltagsebene. Eine Partei, die sich verändert, erhöht ihre Chancen auf langfristigen Erfolg und politische Wirksamkeit.
Parteien brauchen mehr Vielfalt im Inneren, um nach Außen hin an Legitimität zu gewinnen. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit zum Dialog – auch und gerade mit Denjenigen, mit denen Parteien das Gespräch scheuen oder kaum pflegen.
Parteien brauchen lebendige digitale Strukturen, um zukunftsfähig zu sein. Nur mit digitaler Infrastruktur wird es ihnen gelingen, den Bezug zur Gesellschaft insgesamt aufrecht zu erhalten. Digitale Kanäle sind eine elementare Weiterentwicklung der bisherigen Kommunikation – und Kollaborationsplattformen. Sie sind unabdingbar, um neue Potentiale zu heben und potentielle Mitglieder zeitgemäß anzusprechen. Entscheidend für die Akzeptanz von digitalen Elementen ist, dass Engagierte einen konkreten Mehrwert der digitalen Instrumente in der Alltagsarbeit erkennen. Digitale Instrumente dürfen keine künstliche Exklusivität innerhalb der Partei schaffen. Sie sollten erst einmal ergänzend, nicht aber als Ersatz für bestehende Parteikommunikation eingesetzt werden.
Lasst uns endlich den Muff aus den alten Fahnen klopfen!
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